Colorful times...

Sportklettern in den 80er Jahren

Aufbruchstimmung, neuer Enthusiasmus, die Entdeckung einer anderen Wirklichkeit. Nicht nur eine neue Dimension im Freiklettern, sondern auch ein neuer lifestyle warfen alle Konventionen über den Haufen. Eine neue Welt tat sich auf, eine bunte und verrückte Welt, frisch aus Amerika importiertes Gedankengut. So locker der lifestyle, so streng waren die Regeln am Fels: Kein Herumsitzen in den Haken, sondern nach jedem Sturz zurück zum Boden, Seil abziehen und Neustart, und...keine vorgehängten Expressschlingen! (Was die jüngere Generation vielleicht nicht mehr weiß: Rotpunkt mit bereits eingehängten Expressschlingen wäre früher Pinkpoint gewesen und nicht als vollwertige Begehung anerkannt worden)

Erst nach Mitte der Achziger lockerten sich diese strengen Regeln, als Südfrankreich zum neuen Zentrum des Kletter-Universums avancierte. Nach dem Motto, "der Zweck heiligt die Mittel", war auf einmal war alles erlaubt, um eine Rotpunkt-Begehung zu realisieren. Die daraus resultierende Steigerung der Schwierigkeitsgrade bewirkte, dass diese neue Richtung nicht mehr aufzuhalten war. Es war auch das endgültige Aus für die Privilegien der Mutigen. Wer sich nicht von unten in eine Route mit langen Hakenabständen traute, seilte sich von oben ab und umging die psychische Barriere, die einst Teil der Schwierigkeit gewesen war.

Vielleicht hatten wir mit unseren strengen Regeln unser Potential verschwendet, es war für uns aber auch eine echt coole Situation zu unseren Gunsten: Man war den anderen einen Schritt voraus, nur weil man bereit war längere Stürze zu riskieren. Das war ganz so wie früher in alpinen Routen.

Sportklettern war am schönsten, als es nur unter Insidern existierte und keiner sich erwartete, damit jemals die Öffentlichkeit beeindrucken zu können. Es hatte etwas fast familiäres - wenn man von einem Klettergebiet zum anderen pilgerte, traf man immer wieder alte Bekannte. Alle waren ziemlich locker drauf und Wettbewerbsgedanken standen weit im Hintergrund. Ich erlebte die goldene Zeit in Buoux, bewunderte Patrick Edlinger und die Brüder Lemenestrel und hatte für traditionelles, alpines Klettern (und seinen vagen ethischen Grundsätzen) nur noch wenig übrig. Beim Sportklettern ging es richtig zur Sache, jeder konnte jeden sehen, wenn er eine Route rotpunkt kletterte, und vor allem, jeder hielt sich an die gleichen Spielregeln.

Sportklettern war im Grunde genommen genau so, wie ich mir den Alpinismus der Zukunft immer vorgestellt hatte. Noch dazu, abgesehen von Regeln und ethischen Überlegungen, begriff ich durch meine Vertiefung ins Sportklettern, dass es wenig Sinn machte, meine Limits an schlecht abgesicherten Gebirgsrouten zu suchen, solange meine athletische Form auf einem niederen Niveau war... und vor allem deshalb hohes Risiko eingehen zu müssen. Der logische Plan war, zuerst meinen Kletterstandard durch Sportklettern zu steigern und dann an eine Rückkehr in die Berge zu denken. Allerdings wurde nichts aus diesem Plan, weil ich in den folgenden Jahren viel mehr daran interessiert war, meine Limits im Sportklettern zu suchen (das sich damals noch in einer Pionierphase befand).

A m Anfang hat das Sportklettern eine gewisse Verwirrung gestiftet, aber nur für kurze Zeit, dann ist es schnell ins Gesellschaftssystem integriert und eingeordnet worden, so dass die gewohnte öffentliche Beobachterperspektive keine allzugroße Verzerrung erlitten hat. Man hat praktisch in letzter Minute einen Sinn für unser Tun gefunden, nähmlich gegeneinander in Wettbewerben anzutreten anstatt als nutzlose alternative Herumtreiber zu verkommen und unserem Freund “Fred” nicht nur körperlich, sondern auch geistig immer ähnlicher zu werden (den Fred hatte ich in den Red Rocks getroffen und nachdem ich mit ihm einen Apfel geteilt hatte, verriet er mir einige Geheimnisse seiner Kletterkunst - hat leider nicht viel genützt).

 

Die Kletterszene hat in der Folge ihre Lockerheit verloren, ist wichtigtuerisch und selbstgefällig geworden. Die öffentliche Aufmerksamkeit hat so manchem Ego nicht gut getan. Die Stimmen der Authentischen dringen kaum noch durch das Gewirr von öffentlichen Erfolgsmeldungen. Der Wettbewerbsgedanke dominiert in allen Bereichen. Als positives Resultat wird heute schwerer geklettert als jemals zuvor, als negativ sehe ich mehr Stress als Spaß.

Die Kletterwettbewerbe scheinen mir der fairste und ehrlichste Weg für einen "Profikletterer", und die einzige Rechtfertigung, das Konkurrenzdenken in den Vordergrund zu stellen. Ein weiteres 9a hier, ein weiteres 9b dort - wen interessierts? Was zählt ist am Ende doch das persönliche Erlebnis, die Suche nach den eigenen Grenzbereichen. Das schöne am Klettern ist, dass jeder für sich selber Ziele finden kann und dass der Raum für Steigerung unbegrenzt ist. Sich auf Nummern zu fixieren führt zu geistiger Verarmung. Es wird immer jemanden geben, der besser ist. Die 9b's von heute werden morgen unbedeutend sein. Sich stets mit sich selbst zu vergleichen ist, was zählt. Daran wird sich nie etwas ändern.

fred...simply the best!

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